Anchorage-Prudhoe Bay

< Anchorage

Denali

Die Berge ringsumher sind eingehüllt in langsam dahinziehenden Wolken. Nur von Zeit zu Zeit geben sie den Blick frei auf die noch recht zahlreichen Schneefelder hoch auf den Bergspitzen. Jenen, denen die kraftvolle Sonne bisher nichts anhaben konnte. Die Bäume, die wie spitze Kegel in den Himmel ragen, sind schmale, dünne Stengel. Sie kippen wahllos nach allen Seiten weg, da der ein bis zwei Meter tiefe Permafrostboden unter ihnen im Sommer aufzutauen beginnt.

Die ständige Angst auf Bären oder Elche zu stoßen ist neu. Das ziemlich dichte Gestrüpp rings umher läßt mich da nicht unbedingt ruhiger werden. Im Insgeheimen wünsche ich mir die Begegnung herbei, nicht allein der Fotos wegen, sondern auch um endlich lernen zu können, wie er sich bewegt, ob man ihn hört und sieht oder gar riecht. Die Fotos die ich sah, von Angriffen auf Menschen haben meine Bedenken nur noch bestärkt.

Die Sonne spiegelt sich in den Wellen des kleinen Bergsees und ich denke darüber nach meine Angel startklar zu machen. Auf die dafür notwendige Fishinglicence haben wir großzügig verzichtet, da wir mit 50 US-Dollar ca. vierzehn Tage überleben können und genau soviel hätte eine Lizenz für genau 14 Tage gekostet.

Wir verabschieden uns von Tim, er muß zur Arbeit und instruiert uns, wo wir den Hausschlüssel hinterlegen sollen. Wir wollen auf dem Rückweg von Prudhoe Bay nochmals bei ihm reinschauen. Dann packen wir unsere Bikes und brechen auf zum nördlichsten Punkt des amerikanischen Kontinents. Wir können es kaum erwarten, aus Anchorage herauszukommen. der ständige Lärm und die vielen Menschen werden einem irgendwann zu viel. Wir träumen von der endlosen Weite der Tundra, der Stille, der absoluten Natur – von den Bergen, die einen ständig umgeben und die teils schneebedeckt, teils grünlich braun in der Sonne schimmernd, Jahrtausende alte Ruhe und Erhabenheit ausstrahlen.

Bis Fairbanks sind es ca. 500 km Highway. Linker Hand liegt der Denali-Nationalpark, den wir wiederum auch dort liegen lassen, da man nicht so einfach durchfahren kann, sondern teure Bustouren nehmen muß. Tim meinte, es sei der schönste Nationalpark Amerikas, aber er ist auch Alaskaner, der lange Zeit in Nome, einer nur per Flugzeug erreichbaren Stadt an der Westküste lebte. Tatsächlich gibt der Denali mit dem höchsten Berg Nordamerikas dem 6,6 km hohen Mount McKinley, atemberaubende Einblicke in die Natur der Tundra – ursprünglich und wild.

Nach Fairbanks beginnt dann das Abenteuer: Der Dalton Highway entlang der Alaska-Ölpipeline – 1.000 km Schotterpiste. Also ich freu mich schon darauf und hoffe nur, es gibt keine Pannen.

Kaum aus Anchorage heraus, in nördlicher Richtung (es gibt dann nur noch eine südliche), fängt es an zu regnen. Der Wind nimmt zu und es wird zusehends ungemütlicher auf dem Motorrad.

Nach ca. 100 km gibt Heiko mir das Zeichen zum Anhalten. Sein Tacho geht nicht mehr. Wir machen aus an der nächsten Tankstelle nachzuschauen. Ich hoffe es ist nur die Überwurfmutter, die sich bei mir auch schon des öfteren »abvibriert« hat. Als wir jedoch im mittlerweile strömenden Regen an der Tankstelle nachsehen, stellt sich heraus, sie ist gebrochen.

Also OK, ich fahre voraus, der Geschwindigkeit wegen. Die Amerikaner sollen da ganz schnell komisch werden, und natürlich auch zum Kilometerzählen. Beim Motorrad hat man ja nicht wie beim Auto eine Benzinanzeige sondern weiß nur anhand seiner gefahrenen Kilometer wieviel noch im Tank ist. Heiko schafft ca. 260–280 km, ich 330–350. Die Fahrt geht natürlich weiter. Die Temperatur ist auf ca. 15 °C abgefallen und der Wind hat weiter zugenommen. Die Bikes stehen stellenweise recht steil im Wind, so daß wir die ohnehin schon niedrige Geschwindigkeit weiter reduzieren. Das viele Gepäck läßt uns nicht schneller als 55 Meilen in der Stunde fahren, das sind ca. 80 km/h. Der Regen hat zugenommen und wir haben vor einiger Zeit die Regenkombis übergezogen. Alles ist naß und klamm.

Gegen ein Uhr nachts kommen wir auf den Denali Highway, unser erklärtes Tagesziel und es ist immer noch taghell. Der Regen hat aufgehört und wir bauen unser Zelt auf. Wir werden morgen einen Tag zum Trocknen der Klamotten einlegen. Der Kocher gibt sein monotones Zischen von sich, was nur durch den leichten Wind, der ihn zu necken scheint, ab und zu unterbrochen wird. Es gibt Bohnen mit Speck. Heiko kocht, während ich wegen der Bären Wache halte. Bären haben eine sehr empfindliche Nase, sie wittern über mehrere Kilometer hinweg, wenn der Wind günstig steht.

Heiko hält nach Bee/ären Ausschau

Heiko hält nach Bee/ären Ausschau

Da wir alle beide todmüde sind wollen wir nur noch schlafen. Wir parken die Motorräder so, daß wir nur noch aufspringen und losfahren brauchen. Die Küchenkiste wird in 30 m Entfernung auf einem kleinen Hochstand deponiert. Auch kochen soll man in 30–50 m Entfernung vom Zelt. Und um Himmels willen nichts zu Essen im Zelt aufbewahren. Nicht mal Zahnpasta. Trotz des immer noch grellen Tageslichts schlafen wir sofort ein ...

Unsere erste Übernachtung im Freien

Unsere erste Übernachtung im Freien. Die Angst vor Bären läßt uns zunächst kaum zur Ruhe kommen, obwohl es in Mittsommernächten nie dunkel wird

Olnes

Wir verlassen Cantwell mit gemischten Gefühlen. Wie immer, wenn wir mal wieder einen guten Schlafplatz hatten. Der Nächste wird immer an dem Vorangegangenen gemessen. Hier waren wir an einer alten Wasserflugzeug-Tankstelle. Die 30 km Schotterpiste des Denali HWY, geben uns schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf den Dalton HWY.

Der Hochstand für unsere Küchenbox

Der Hochstand für unsere Küchenbox stellte sich später als kleine Tankstelle für Wasserflugzeuge heraus.

Zurück auf dem Parks Highway, wir hatten ihn auf der Suche nach einem geeigneten Schlafplatz nur kurz verlassen, knallt die Sonne erbarmungslos auf uns nieder. Nur der kontinuierliche Fahrtwind verspricht etwas Kühlung.

Der Tacho dreht gemächlich seine Runden und wir fahren Kilometer um Kilometer. Ein herrliches Gefühl, dahinzugleiten und frei zu sein, nicht zu wissen wohin es einen verschlägt oder was einen als nächstes erwartet. Immer das Vertrauen in Hoffnung und Menschheit, daß die Leute denen wir begegnen uns wohl gesonnen sind.

Linker Hand ziehen die hohen Berge der Alaska Range mit dem – wohl bekanntesten – Mount McKinley vorbei. Eingebettet in den, von uns großzügig vernachlässigten Denali-Nationalpark.

Schnee auf den Bergen

Selbst jetzt im Hochsommer liegt der Schnee vom vergangenen Jahr wie Wasser spendende Arterien auf den Bergen.

Kurz vor Fairbanks wollen wir noch einmal übernachten und halten immer links und rechts nach geeigneten Plätzen Ausschau. In Anbetracht der Tatsache, daß die Sonne hier gerade nicht untergeht und es 24 Stunden am Tag hell ist, kann man wohl nicht so richtig von Übernachten sprechen. Der beste Schlafplatz ist immer der, der am wenigsten kostet, am besten nichts und an einem fischbaren Fluß liegt, um das Abendbrot zu sichern.

Wir finden einen alten ausgedienten Campplatz am Chatanika River, in der Nähe von Olnes (wir sind gleich durch Fairbanks durchgefahren, weil wir den großen Städten sowieso nichts abgewinnen können) – eine großzügige Feuerstelle und ca. 30 m zum Fluß.

Auf der Flußseite gegenüber sind einige Amerikaner mit Kind und Kegel angereist, und auf unserer Seite ein Stück flußabwärts ist ein Camper mit wahrscheinlich 500 Kindern dabei das lauteste Pfadfinderlager aller Zeiten zu veranstalten.

Naja, für heute scheint der Platz ganz passabel und wir sind dabei unser Gepäck von den Bikes zu schnallen, als uns eine der viel beschriebenen Horden von Moskitos überfällt. Hast du zehn oder zwanzig von deinem Oberkörper vertrieben, sitzen sie auf deiner Hand oder es summt gewaltig am Ohr. Wenn du dich dann ruckhaft herumdrehst, schaust du einer geradewegs in die Augen. Unser Mückenschutztest kann also beginnen. Eigenen Umfragen zu Folge, stehen die Amerikaner hier oben auf zweierlei Mittel. Beide werden immer wieder und unabhängig voneinander erwähnt. Das ist zum einen ein Mittel mit dem klangvollen Namen »Skin So Soft«, welches nicht im Handel, sondern an der Haustür oder auf Jahrmärkten erhältlich ist. Und zum anderen das Mittel mit dem Namen »Deet«. »Skin So Soft« ist von der, auch bei uns bekannten Firma Avon und riecht wie die Umkleidekabiene des russischen Bolschoi-Ballett nach dem Auftritt auf einer viel zu kleinen Bühne im Hochsommer bei 30° im Schatten. »Deet« ist ein hochtoxischer Wirkstoff, welcher nach Angaben des Herstellers nicht zum Dauergebrauch geeignet und auch sonst von allem fernzuhalten ist was irgendwie organisch anheimelt – auch von Kindern. Also wir haben beide getestet. »Skin So Soft« hält nur dem Namen nach, was es verspricht. Die Haut wird weich und geschmeidig aber man riecht wie ein Iltis und die Mücken sind nach ca. zwei Stunden auch wieder da. »Deet« hingegen wirkt länger. Wobei man nicht weiß, ob die Mücken nur nicht stechen, weil sie nicht mit dem nach Chemie stinkenden Zeug vergiftet werden wollen, oder aus Respekt vor einem selbst, da man sich ihretwegen so ein furchtbares Zeug ins Gesicht schmiert. Auf jeden Fall war auf die Schnelle nicht zu ermitteln, ob der Name Tod nun für die Mücken steht oder für den Anwender. Wir haben auch probiert ganz auf die Mittel zu verzichten, aber die Tundra-Anopheles-Mücke wird so groß wie bei uns die Spatzen und man ist, wenn man nicht aufpaßt, sehr schnell an Blutleere gestorben.

Nach dem Zeltaufbau probiere ich mein Petriglück in der Hoffnung auf eine oder gar zwei Bachforellen – Es gab wieder Reis.

John, ein völlig zugewachsener Indianer mit Latzhosen und Fliegenfischerrute in der Hand, erzählt uns von der Vielfalt des Landes und wie günstig man sich hier ernähren kann. Er esse auch oft, wie schon unzählige Male zuvor, totes Getier, was er am Straßenrand findet, sogenanntes Verkehrsfleisch. Er legte uns wärmstens ans Herz, das Militäressen, was es überall gibt, zu probieren. Das sind kleine Pakete mit wirklich allem drin. Alles Instant und natürlich 100 Jahre haltbar. Wir haben wahrscheinlich recht ungläubig drein geschaut, jedenfalls ging er kurz zu sich und kam mit einem dieser Pakete für uns zurück. Wir bieten ihm unseren Tabak an, doch er lehnt dankend ab, er rauche keinen Tabak. Aber holt dabei seine Purepipe heraus, die er aus einer 7,62-mm-Patrone gebaut hat und stopft sie mit feinstem Homegrow.

Es war ein wunderschöner Tag.

Dalton HWY

Wir erwarten schon mit Spannung die nächste Tankstelle. Der Tank leert sich zusehends und die Ersatzkanister sind noch nicht befüllt. Die nächste Möglichkeit zum Tanken ist am Yukon River. Der gewaltige Fluß liegt dann auch bald vor uns und wir fahren über die vielleicht 500 m lange Holzbrücke zum anderen Ufer. Überall riecht es nach Feuer. Dicker Qualm liegt in dichten Schwaden über dem Yukon-Tal und man sagt uns, das einige Meilen flußaufwärts ein riesiger Waldbrand wütet. Die Feuerspringer sind mit Flugzeugen und Hubschraubern im Einsatz und versuchen den Brand einzudämmen. Wir halten schon mal nach einem geeigneten Campingplatz Ausschau und merken bald, daß sich das schwieriger gestaltet als zunächst angenommen. Wir tanken erstmal unsere Kanister voll, dann die Maschinen, dann uns. Da sich nichts Anderes finden läßt, bauen wir das Zelt in der Nähe der Bootsstelle auf. Das frühe zu Bett gehen verhindert John, der gerade vorbei schlenderte. Er ist 36 und seit zwei Monaten Koch in der kleinen Kneipe am Souvenirshop. Nach einigen Stunden guter Unterhaltung, man merkt nicht das es spät wird wegen der Mittsommersonne, meint er, daß er mit uns zum Fischen rausfährt, wenn wir Lust hätten. Er könne das Boot seines Chefs benutzen wann er will. Da wir natürlich große Lust haben Lachse zu fischen, sagen wir zu und verabreden uns auf unserem Rückweg mit ihm. Dann gönnen wir uns endlich den verdienten Schlaf.

Der Morgen ist ein frischer und sonniger und als nach nur noch zwei Stunden Packzeit alles auf den Bikes verstaut ist, setzen wir uns wieder langsam Richtung Norden in Bewegung. Die Gravelroad wird immer schlimmer und die Moskitos immer zahlreicher. Solange wir auf unseren Bikes sitzen können sie uns jedoch nichts.

Der nächste Zielpunkt heißt für uns Arctic Circle bzw. nördlicher Wendekreis. Als ich vor nun fast zehn Jahren mit meinem Freund Tschensi schon mal dahin fuhr, war der Highway noch nicht geteert. Jetzt hat man ca. 25 km vorher eine schöne Asphaltstraße, die 2000 fertiggestellt wurde, aber nach dem Circle gleich wieder zur Gravelroad wird. Die Meilen rattern nur so unter unseren Rädern dahin und wir sind schon wieder auf der Suche nach einem geeigneten Rastplatz. Als wir einen kleinen Fluß mit dem klangvollen Namen Puntarosa Creek überqueren, sehen wir einen kleinen Weg in den Wald. Wir schauen uns die Stelle genauer an und haben den fast idealen Platz für die Nacht gefunden. Lagerfeuerstelle, ein kleiner Fluß zum Fischen und ein Stück weiter noch eine gute Möglichkeit zum Baden. Wir machen aus, daß Heiko das Zelt aufbaut und ich mich derweil um den Fisch kümmere. Ich hatte mir im Sportgeschäft in Anchorage ein paar Fliegen gekauft und probiere sie aus. Ich fange zwei kapitale Arctic Grailings, die der Regenbogenforelle sehr ähnlich sind. Auf Grund des kalten Gletscherwassers aus den Bergen sind sie sehr fetthaltig und trocknen beim Grillen nicht so aus.

Die Moskitos lassen uns ständig wissen, daß wir nur Gäste sind und auf gar keinen Fall bleiben dürften. Wir bleiben nun erst recht. Da der 21. Juni der längste Tag im Jahr ist, will ich den Weg der Sonne fotografieren, doch die nahe Bergkette macht mir einen Strich durch die Rechnung.

Daß wir schneller zusammenpacken als sonst, verdanken wir ebenfalls den hier im Wald besonders zahlreichen Moskitos. Dann sind wir wieder auf dem Highway.

Diesmal wollen wir bis Coldfoot, der letzten Möglichkeit zum Tanken vor der Prudhoe Bay. Die ausstehenden vierhundert Kilometer gibt es keine Möglichkeit mehr Benzin zu fassen. Dann fahren wir mit eigenen Reserven und völlig auf uns gestellt durch die unendliche Weite der Tundra.

Es ist ein wunderschöner Tag und wir fahren mit ca. 60 km/h über die zum Teil sehr lockere Kies-Schotter-Piste. Als wir an einer Haltebucht anhalten und einen Blick in die weite Ebene des Yukon Koyukuk werfen, kommt ein Biker heran. Er hat auf seinen Motorradkoffern die Aufschrift »Key West – Deadhorse« und meint er sei die Strecke in zehn Tagen gefahren. Key West ist ganz unten in Florida und ich glaube viel gesehen kann er wohl nicht haben.

Als wir gerade wieder einige Kilometer gefahren und kurz vor Coldfoot sind, kommt uns eine KTM-Adventure entgegen. Im Rückspiegel sehen wir ein deutsches Nummernschild. Heiko fährt langsamer und als der Biker umdreht halten wir an. Es ist Rasmus aus Mainz, der die gleiche Tour wir wir fährt, nur in einem statt in zwei Jahren. Es stellt sich heraus, daß es sein Motorrad war, welches wir in der Nachbarbox bei FedEx in Anchorage gesehen hatten. Er war bereits in Coldfoot und wollte sich eigentlich schon auf den Weg nach Süden machen. Wir unterhalten uns eine Weile und stellen fest, daß wir auf einer Welle senden. Kurzum, er schließt sich uns an und wir beschließen, den nördlichsten Punkt Amerikas gemeinsam zu erobern. Es stellt sich heraus, daß er schon einige Jahre in Amerika gelebt hatte und den amerikanischen Dialekt perfekt beherschte.

Wir fahren zusammen weiter und jedes mal wenn wir stoppen, sei es zum Tanken in Coldfoot oder einfach an der Straße, lernt man sich ein Stück näher kennen.

Wir treffen Rasmus

Als wir Rasmus in Coldfoot treffen, reißen die Gespräche über Mensch, Maschine, Material nicht ab

Ab Coldfoot wollen wir unbedingt bis zum Atigun-Paß kommen, dem höchsten Paß in Alaska in der Brooks Range von dem man angeblich den schönsten Blick hat.

Nach stundenlanger Fahrt durch herrliche Berglandschaften endlich am Paß angekommen, eröffnet sich uns ein grandioser Blick in beide Täler. Zwei Lkw schleppen sich die steile Paßstraße herauf und wir verschnaufen von der langen und holprigen Fahrt.

Als wir an einem kleinen Flußbett unser Zeltlager aufschlagen, stellt sich heraus, daß Rassmus kein Kostverächter ist. Er packt eine Flasche feinsten Single Malt und eine Kiste Simon Bolivar aus seinen Motorradboxen. Das hat Klasse. Wir sitzen in dem kleinen Tal, welches wir ganz für uns allein haben, am rauschenden Gletscherbach in 1.500 m Höhe am Lagerfeuer, trinken feinsten Scotch Whisky und rauchen beste Zigarren. Selbst das Zigarrenbesteck hat er dabei. Wenn das nicht der Auftakt für ein schönes gemeinsames Travelling sein soll ...

Wir lachen und erzählen noch sehr lange und ab und zu steht mal einer auf und hält nach Bären Ausschau.

Die letzte Etappe soll sich scheinbar als die schwerste herausstellen. Heute haben wir einige Motorradfahrer getroffen, die von Deadhorse zurückkommen und zwei schweren Motorradunfällen erzählten. Beide an selber Stelle im Happy Valley. Direkt nach einigen Kilometern Asphaltstrasse kommt nach einer Anhöhe plötzlich zehn Zentimeter tiefer Gravel. Einer der beiden, mußte auf Grund seiner Verletzungen, von Deadhorse aus sofort ausgeflogen werden, der andere hat den Rückweg mit gebrochener Schulter auf dem Sozius eines Freundes angetreten. Beide Bikes waren nur noch Schrott. Wir nehmen uns vor, die ganze Strecke mit sechzig Kilometer pro Stunde zu fahren, da für uns Ankommen oberstes Gebot ist. Mit gemischten Gefühlen fahren wir weiter und langsam wird die Strecke recht beschwerlich. Man kann nicht mehr rechts und links schauen, weil man sich nur noch auf die Straße konzentriert. Eine falsche Bewegung und man liegt im Schlamm. Die Straßen sind immer häufiger naß und entgegenkommende LKW überschütten einen mit Geröll, daß es nur so pladdert. Doch wir haben Zeit. Wir räumen uns noch eine Zwischenübernachtung in weiter Tundra ein, um dann morgen die letzten 150 km völlig entspannt zurückzulegen. Doch wie schon von so vielen prophezeit, die Moskitos sind überall. Wir halten an und sofort sitzen fünf, sechs Biester auf meiner Hand. Man kann ihnen nicht entkommen. Nur wenn ein frischer Wind aufkommt sind sie für einige Minuten verschwunden. Der Moskitoschutz bewirkt, daß sie wenigstens nicht landen und stechen, aber sie sind trotzdem da und umschwirren einen wie die Motten das Licht. Ich zwinge mich zur Ignoranz und vertraue ganz auf »Deet«.

Wir gehen früh zu Bett und ich habe so, geschützt im Zelt, endlich mal ein bißchen Zeit meine Eindrücke zu notieren.

Dalton HWY (Fortsetzung)

Es ist gegen Mittag als wir aufbrechen. Wir sprechen wenig. Immer noch ein bißchen nervös und vom Alltag der Zivilisation geprägt.

Ich denke das das Gefühl der Freiheit sich erst nach Deadhorse einstellen wird, weil es dann nur noch Richtung Süden geht. Die Motorräder schnurren nur so dahin. Kilometer für Kilometer rattern über den Zähler. Endlich kommt der Dalton Highway. Er zwingt uns die Geschwindigkeit zu drosseln. Wir fahren erstmal mit 50 km in der Stunde, um uns an den Splitt zu gewöhnen. Dann der erste Truck. Er fährt mit ungedrosselter Geschwindigkeit vorbei. Uns fliegt der Splitt nur so um die Ohren. Am Ende gewöhnen wir uns auch daran und die Fahrt geht etwas schneller vorwärts. Wir wollen heute noch bis zum Arctic Circle, dem nördlichen Wendekreis der Sonne. Ab dort ist es dann den ganzen Tag hell – 24 Stunden Sonne. Die Straße ist wirklich anstrengend. Ich würde gern ein bißchen Ausschau nach Tieren halten, aber man muß sich so sehr auf die Straße konzentrieren, daß das völlig ausgeschlossen ist. Ab und zu sitzt ein Erdhörnchen am Straßenrand und springt ganz aufgeregt in die Büsche zurück. Wir kommen auf einen Höhenpaß und da steht das Schild »Coffee for free«. Als wir dort eine Pause einlegen und zu dem einzigen Wohncamper auf dem Riesenplatz kommen, lernen wir Bob kennen. Er ist Wanderprediger und sitzt ganz allein im Rollstuhl vor seinem Camper in der Sonne. Sein kleiner weißer Hund rennt uns ganz aufgeregt zwischen den Beinen herum – lustige Kerlchen – sowohl Bob als auch sein Hund. Wir reden miteinander, Bob erzählt uns aus seinem Leben und gibt uns ein paar Tips für den Weg mit. »Also da kommt eine Kurve, die hat es in sich, da müßt ihr sehr vorsichtig fahren und dann noch der tiefe Splitt dort an der Kreuzung und wenn ihr den steilen Berg herunter kommt müßt ihr ganz rechts fahren wegen der Trucks.« Er war vor zehn Jahren am Atigun-Paß und ist jetzt schon der Dritte, der uns etwas von der schönen Aussicht vorschwärmt. Ich bin also sehr gespannt. Livengood, wo wir eigentlich tanken wollten, hat kein Leben mehr. Alle Bewohner sind nach und nach weggezogen. Das bedeutet, wir müssen weiter bis zum Yukon. Hoffentlich reicht der Sprit. Plötzlich aus heiterem Himmel wird die Straße naß, aber richtig. Ich denke so bei mir, wird wohl eine Wetterscheide sein. Der Schlamm spritzt an den Bikes hoch, so daß ich mir ab und zu das Visier abwischen muß. Die Farbe der Motorräder ist nicht mehr zu erkennen. Nach einigen Kilometern sehen wir den Grund. Straßenarbeiten. Um den Staub so weit es geht am Boden zu halten, fährt vor der Straßenbaumaschine ein Sprühwagen, der den Highway in eine einzige Schlammpiste verwandelt. Heiko fährt Schrittgeschwindigkeit, er ist ziemlich abgenervt. Aber das Stück ist zu unserem Glück nur ca. fünf Kilometer lang, so daß wir unsere Fahrt bald zügig fortsetzen können.

Der Dalton - oft mehr eine Schlammpiste als ein Highway

Der Dalton - oft mehr eine Schlammpiste als ein Highway

An einem Rastplatz, alle fünfzig Kilometer machen wir eine Pause, treffen wir einen BMW-Fahrer, der uns entgegenkommt. Er kommt zu uns herüber. Ohne seinen Motor abzustellen erzählt er uns, wie schön der Highway noch wird und das er mit ca. siebzig, achtzig Meilen die Stunde fährt. Er ist einer von fünfzig Bikern, die von Key-West in Florida , nach Deadhorse und zurück unterwegs sind. Er meint, er sei die Hinstrecke in zehn Tagen gefahren. Als er weg ist greifen wir uns an den Kopf. Kann nur ein Amerikaner sein.

Als wir zum Arctic Circle kommen, stehen dort schon zwei Reisebusse. Die Touristen steigen aus, machen ein Foto von der Infotafel und steigen wieder ein. Sie müssen dann mit ihrem Bus die dreihundert Kilometer bis Fairbanks wieder zurückfahren. Man kann für sie nur hoffen, daß sie wenigstens ein paar Tiere gesehen haben. Wir unterhalten uns ein Weilchen mit Don und seiner Frau, die mit einem Infostand am Parkplatz stehen und die Leute über das Waldleben aufklären. Wir fragen, ob er irgendwas über die Waldbrände weiß. Und er meint, es sind wohl mehrere. Wir sahen am Youkon nur dicke Rauchschwaden den Fluß herauf ziehen. Die Sonne hat sich verdunkelt und taucht das Grün der Bäume in ein unnatürliches Plastikgrün. Es riecht überall nach Feuer und macht das Fotografieren nicht gerade zum Erlebnis.

Zum zweiten Mal am Arctic Circle

Zum zweiten Mal schon überquere ich den Arctic Circle. Diesmal nehme ich ihn mit!

Wir fahren mit wohlgemeinten Ratschlägen des Don wieder los und kommen wenige Kilometer danach an den letzten Tradingpost auf diesem Highway.

Auch hier halten wir uns nicht länger auf. Nachdem wir einige Karten abgeschickt, die Schlittenhundezucht und die im Bau befindlichen Holzhäuser der Betreiberfamilie bestaunt haben, fahren wir weiter.

Die nächste Station ist Coldfoot. Das ist die letzte Möglichkeit zum Tanken. Dann wird es wirklich ernst. Keine Häuser, keine Menschen, nichts mehr. Nur noch die ewige Tundra. In der Sonne so friedlich und unendlich und doch aber unerbittlich ewig frierend und wild. Der Reiz ist zu groß und das Gefühl dies zu beherrschen und zu erfahren macht unheimlich fröhlich und frei. Beschwingt fliegen wir dahin.

Der letzte Tankstop in Coldfoot ist schnell erledigt, alle Kanister befüllt und weiter geht es.

Dann erreichen wir den Atigun-Pass. Eine herrliche Aussicht auf beide Täler. Die viel gepriesene Brooks Range mit ihrem auf 1.500 m gelegenem Paß. Wir sind schlichtweg begeistert und einigen uns, hier oben zu übernachten.

An einem Flußbett finden wir wieder einen super Schlafplatz und machen Feuer.

Zelten am Atigun-Paß

Wir sind allein auf 500 Quadratkilometern. Das Zelten am Atigun-Paß wird dank Rasmus ein uvergeßliches Erlebnis.

Nun sind wir also zu Dritt unterwegs. Rasmus ist wirklich eine Bereicherung. Wir lachen viel und genießen seinen Galgenhumor.

> Deadhorse

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